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Fall Atlas Delmenhorst
Für die Stadt Delmenhorst bei Bremen ist das Jahr 1973 eine fußballerische Zeitenwende. Damals vereinigten sich die beiden führenden Klubs SSV Delmenhorst und FC Roland Delmenhorst (sowie der fußballose VSK Bungerhof) zum SV Atlas Delmenhorst. Drahtzieher dieses umwälzenden Ereignisses war der spenden- und werbefreudige Baumaschinenhersteller „Atlas Weyhausen“ mit seinem finanzstarken Einsatz. Werbebotschaften in Vereinsnamen schloß der DFB seinerzeit ja noch nicht aus. Daran, daß der SSV als „FC Spiel und Sport“ anno 1900 die Delmenhorster Kugel ins Rollen gebracht hatte, sollte nicht mehr erinnert werden. Stattdessen bestimmte man 1973 zum Gründungsjahr. In der Tat löste der Neubeginn nun eine größere Euphorie aus als die unter den Scheffel gestellte Tradition. Das sportliche Abschneiden der nächsten Jahrzehnte konnte sich wahrlich sehen lassen. Wie alle schon bestehenden Klubs durfte der SV Atlas an der Werbeverbotsregel aus den 80er Jahren vorbei unverändert weiterkicken. Aber als der Gönner 1999 aufgrund eigener Schwierigkeiten den Geldhahn zudrehen mußte, wechselte man den Vereinsnamen eilig auf Delmenhorster SC - Dank und Solidarität sehen anders aus. Bereits 2002 erlosch das Licht dann ganz. Der Nachfolgeverein Eintracht Delmenhorst rettete, was noch zu retten war.
Seit der Saison 2012/13 spielt im Ligensystem des Niedersächsischen Fußballverbands (NFV) wieder ein SV Atlas Delmenhorst mit. Bei diesem Klub handelt es sich um eine Neugründung, der die Fußballabteilung von Eintracht übergeben wurde. Sichtlich sind die örtlichen Fußballfreunde der Auffassung, nur unter genau diesem einen Namen höherklassig mithalten zu können. Trotz der rechtlichen Lücken von 2012 und 2002 gehört jetzt sogar die geliebte Jahreszahl 1973 fest zum Vereinsnamen (Amtsgerichte lassen sich halt leicht überrumpeln). Welch unterschiedliches Vorgehen: Bei der Fusion von 1973 wurde das aktuelle Jahr gewählt, obwohl beachtenswert frühe Zahlen zur Verfügung standen, aber bei der Gründung von 2012 suchte man willkürlich nach einem historischen Datum, ohne daß ein durchgängiger Stammbaum vorgelegen hätte. Es mutet alles ein bißchen komisch an, ist im deutschen Fußball jedoch nichts vollkommen Neues.
Viel brenzliger ist der Umstand zu bewerten, daß die Neugründung in eine Zeit fiel, in der das Werbeverbot per Vereinsname hätte greifen müssen! Eine Kran- und Baggerbaufirma „Atlas“ gab es - nach einigen Umgestaltungen - auch 2012 und bis heute in Delmenhorst! Vereinsnamen.de klemmte sich gleich mal dahinter. Hier die Antwort des NFV: „Bei dem im Vereinsnamen enthaltenen Begriff ‚Atlas’ handelt es sich um einen vielseitigen Begriff, der aus unserer Einschätzung nicht zwangsläufig eine Werbebotschaft darstellt bzw. vermittelt. Insofern gab es im Rahmen der Aufnahme diesbezüglich auch keinerlei Problemstellung. Sofern vor Ort eine Baggerfirma ‚Atlas’ ansässig ist/war, ist der Vereinsname aufgrund der vielseitigen Bedeutung und Verwendung des Begriffes nicht mit einer Werbebotschaft behaftet. Es gibt auch nicht nur eine Firma, die mit dem Begriff ‚Atlas’ in Verbindung zu bringen ist.“. Aha, welche der vielen Bedeutungen käme denn als Fußball-Vereinsname in Betracht? Das nordafrikanische Gebirge vielleicht, aber auch nur bei einem Ausländerverein mit entsprechender Herkunft. Oder der Titan aus der griechischen Mythologie (nach dem der mexikanische Spitzenklub „Atlas FC Guadalajara“ benannt ist), ja solch einen Hintersinn hätte man für bare Münze nehmen können, hundert Jahre zuvor in der Gründerzeit ... Es ist doch ohnehin wumpe. Wenn die Firma Atlas in der Stadt ihren Hauptsitz hat, sie dort zu den vier wirtschaftlichen Schwergewichten zählt und den 77.000 Einwohnern 160 Arbeitsplätze bietet (alles Stand 2012), dann ist ein Vereinsname „Atlas“ in Delmenhorst automatisch als Werbebotschaft einzustufen !! Jede denkbare oder tatsächlich geäußerte anderslautende Deutung zerfällt augenblicklich zu Staub. Wobei der SV Atlas gar keine Anstalten macht, die vom NFV verbürgte „Vielseitigkeit des Begriffs“ auszuschöpfen, natürlich nicht, denn das wäre ja gelogen. Mit der Anheuerung der Zahl 1973 möchte man vielmehr jeden Zweifel an der Wahrheit ausräumen. Auch der Umkehrschluß aus 1999, als der Name „Atlas“ wegen Ausstiegs des Finanziers abgelegt wurde, läßt keine Fragen offen. Erwartungsgemäß fand sich die Kran- und Baggerbaufirma 2012 sofort auf der Sponsorentafel wieder. Daß sie später davon verschwand, heißt wohl kaum, daß ausgerechnet die Firma Atlas mit dem Verein Atlas nichts mehr zu tun haben wolle, sondern daß mit diesem Vereinsnamen in Delmenhorst eben alles gesagt ist.
Mal sehen, was der DFB zu dieser Rechtsverdrehung meint. Auf einen Hinweis waren folgende Zeilen zu erhalten: „Es handelt sich um einen Vorgang, der allein den Spielbetrieb des Niedersächsischen Verbandes betrifft. Aufgrund der auch hier geltenden Verbandsautonomie verbietet sich eine Einmischung oder gar Entscheidung des DFB.“. Das ist ebenfalls rundherum falsch! Die Mitgliedsverbände des DFB, wozu nach § 7 der hauseigenen Satzung u.a. der Niedersächsische Fußballverband gehört, haben gemäß § 14 Nr. 1 b) selbige Satzung zu befolgen. Und in § 15 Nr. 2 ist darin nunmal Schwarz auf Weiß das Werbeverbot für Vereinsnamen angeordnet. Statt die Sache vom Tisch zu wischen wäre der DFB also zum Einschreiten verpflichtet gewesen! Selbst der Glaube an fahrlässige Laschheit fällt jetzt schwer. Die Aufnahme von Atlas Delmenhorst war aus irgendwelchen Gründen gewollt.
Immer wieder gehen den Verbänden Klubs mit Werbebotschaften im Vereinsnamen durch die Lappen. Wie ist es beispielsweise möglich, daß Romonta Amsdorf und Romonta Stedten aus Sachsen-Anhalt seit den 90er Jahren nach einem Hersteller von Braunkohlewachs benannt sind? Oder daß infolge der Übernahme des Chemiewerks Rhodia durch Solvay im Jahr 2013 auch der unabhängige ehemalige Werksklub Rhodia Freiburg seinen Namen in Solvay Freiburg änderte? „Aus innerer Verbundenheit“, so ließen da Vereinsvertreter verlauten, und konnten sich ein Zwinkern bestimmt nicht verkneifen. Wir wollen hier keineswegs die altertümliche Verbotsregel ansich verteidigen. Besser wären freie Verhältnisse, in denen die Vereine aus Selbstachtung auf Sponsorennamen verzichten würden, und diejenigen, die sich dennoch verkauften, Spott und Häme auf sich zögen, anstatt durch ihr unerklärliches Auftauchen im Spielbetrieb des DFB noch reingewaschen zu werden. Das Bedenkliche ist doch die ungehemmte Aushöhlung geltender Vorschriften! Zivilisation lebt von Gleichbehandlung und Rechtssicherheit! 2007 hatte der Sächsische Fußballverband bei ähnlicher Sachlage die gegenteilige Entscheidung getroffen: Dem vormaligen FV Dresden-Nord wurde die Aufnahme unter dem Namen Boreas Dresden verweigert, weil „Boreas“ nicht nur mythisch belegt ist, sondern auch mit einer ortsansässigen Baufirma für Windkraftanlagen in Verbindung zu bringen war. Nunmehr könnten sich dann alle Vereine ihre gewünschten Namen einklagen - Atlas Delmenhorst liefert den Präzedenzfall.