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Unwort „Dynamo“
Daß zahlreiche ostdeutsche Vereine nach 1990 an ihren Namen aus der DDR hängenbleiben, ist ihnen nicht allgemein übelzunehmen. Die Erinnerung an die Zeit vor dem 2. Weltkrieg war halt doch ziemlich verblaßt. Manche Klubs stehen auch gar nicht in Traditionslinien von örtlichen Vorkriegsvereinen. Weil viele Orte während der vier Jahrzehnte „gefühlt“ höherklassigen Fußball als jemals sonst erlebten, sind die zugehörigen Namen zudem mit einer merkwürdigen Ruhm-Verklärung belegt (gut ersichtlich an den wirklichkeitsverdrängenden Rückbenennungen). Für sich genommen tun die DDR-Vereinsnamen ja auch niemandem etwas zu Leide; erst bei dichterem Auftreten rufen sie unangenehme Gedankenketten bis zum diktatorischen Hintergrund hervor. Einer von ihnen schafft das spielend ganz allein: „Dynamo“.
Dies war der Kampfbegriff des Trägerverbands von Volkspolizei und Staatssicherheit (Stasi), also der Überwachungs- und Unterdrückungsorganisation. Ins Leben gerufen wurde Dynamo 1953 als systemstabilisierende Antwort auf die gesellschaftliche Unruhe zu Beginn der neuen Diktatur (man denke an den 17. Juni). Dem Trägerverband oblag die Repräsentation der Einheitspartei, des Staates, des Sozialismus` und der Stasi. Laut Eigenbeschreibung diente er als Speerspitze beim „Aufbau einer sozialistischen Körperkultur“, der „Heranbildung sozialistischer Persönlichkeiten“, mithin auch dem Schüren von Haß auf den Westen samt BRD. Noch 1984 eröffnete man in Berlin-Hohenschönhausen eine „zentrale Dynamo-Traditionsstätte“ mit Lenin-Fahne und Stalin-Büste, obwohl die DDR ansonsten längst entstalinisiert war. Als Rädelsführer Dynamos betätigte sich von Anfang an Erich Mielke. Nur dessen persönlichem Ehrgeiz ist überhaupt die Gründung zu verdanken. Den Namen zog er aus der UdSSR an Land, aber nicht wegen des zugegeben sehr sportiven Gehalts, sondern weil Dynamo bereits dort für den Trägerverband der terroristischen Geheimpolizei stand. Wenn Werner Siemens das gewußt hätte! Auf jenen Herrn geht das Wort nämlich zurück: Eine seiner in Berlin (!) gemachten Erfindungen hatte er nach griechisch „dynamis“ (= das Vermögen, Kraft in Bewegung zu setzen) „dynamo-elektrische Maschine“ genannt, was sich im Englischen zu „Dynamo“ verkürzte und dergestalt internationalisierte, dann von einem Moskauer Elektromaschinenwerk als Firmenname ausgewählt wurde, und in dieser Funktion letztlich als Anregung für die Benennung des betreffenden sowjetischen Trägerverbands herhielt. Jetzt sollten quer durch den Ostblock die Lieblingskinder der Politkriminellen so heißen, von Moskau, Kiew, Minsk, Tiflis, über Bukarest und Zagreb, bis Berlin und Dresden. In der DDR liefen die Fäden im „Büro der Zentralen Leitung“ zusammen. Dieses Büro befand sich im Stasi-Hauptquartier, denn Erich Mielke war 32 Jahre lang bis zum Ende des Menschenversuchs Stasi- und Dynamo-Boß in Personalunion !! Mehr Gleichschaltung geht nicht !!
Zum Beweis der vermeintlichen Richtigkeit der DDR-Politik, zur Verfestigung der Staatshörigkeit, zum Niederhalten des Volkes auch auf der symbolträchtigen sportlichen Ebene, da waren Erfolge natürlich Pflicht. Nun, mit seinen Trägerbetrieben saß man ja direkt an der Quelle. Förderungs-, Einfluß-, Eingriffs-, Manipulations- und Spionagemöglichkeiten standen auf höchster Ebene jederzeit zur Verfügung. Sie wurden mit dem gleichen elitären Selbstverständnis angewandt, das die Stasi grundsätzlich für sich beanspruchte. Fangen wir mal an mit Bestechungen und Einschüchterungen aller Art, von unlauteren Spielerabwerbungen oder Zwangsrekrutierungen aus anderen Trägerverbänden bis zum Einsatz ausgewählter Stasi-Mitarbeiter als Schiedsrichter bzw. deren besondere Belohnung. Abtrünnige wurden verfolgt, Rache an ihnen verübt, im Fall des in die BRD geflüchteten BFC-Dynamo-Spielers Lutz Eigendorf gar ermordet. In Dresden arbeitete stets die halbe Mannschaft für die Stasi (Torsten Gütschow sagt, 60 Personen bespitzelt haben zu müssen), Vetrauenspersonen wie Mannschaftsarzt oder Masseur ebenfalls, und wer auf Angebote nicht einging, konnte seine Karriere knicken. Dynamo-Spieler wurden ohne ihr Wissen gedopt, Gästekabinen verwanzt, Gastmannschaften mußten zumindest immer befürchten, leistungshemmende Mittel ins Essen geschüttet zu bekommen. Der sechsfache Meister Vorwärts Berlin erlitt seine Abschiebung nach Frankfurt/Oder, damit endlich der Weg für den BFC Dynamo frei würde. Trotz der vielen Winkelzüge wollte es mit der Dynamo-Dominanz lange Zeit nicht klappen (im Eishockey hatte man das Problem gelöst, indem Nicht-Dynamos gar nicht erst um die Meisterschaft mitspielen durften). Erst von 1976 an konnten schließlich sämtliche Meistertitel von Stasi-Klubs abgeräumt werden. All das ist auf`s Engste mit dem Namen Dynamo verknüpft!
Könnte ein Vereinsname noch mehr Dreck am Stecken haben?! „Dynamo“ spiegelt unmittelbar die Maschen des Unrechtssystems wider, den Mißbrauch von Mensch und Fußball zugunsten der Ideologie. Für einen bis oben hin mit Menschenverachtung vollgeladenen und von Unsportlichkeit durchtränkten Namen ist selbstverständlich keine Neubewertung denkbar. In einer gesitteten Gesellschaft sollte man ihn niemals mehr vermuten. Dennoch spuken nicht nur weiterhin fünf ostdeutsche Klubs hier herum (aus Berlin, Dresden, Eisenhüttenstadt, Schwerin, Seebach; davon mindestens drei rückbenannt), sondern auch noch sechs aus anderen Teilen Deutschlands. Und zur Krönung läßt der DFB sie anstandslos an seinem Spielbetrieb teilnehmen.
Den BFC Dynamo können wir, sofern er höchstens viertklassig und die Nr. 3 Berlins bleibt, vielleicht als lebendes Mahnmal gelten lassen, zumal als Absauger von Fans, die eh auf guten Leumund pfeifen. Das Problem ist der „Stadtverein“ einer deutschen Metropole, Dynamo Dresden. Schon die Gründungsgeschichte müßte einem die Schamesröte ins Gesicht steigen lassen: Am letzten Spieltag der DDR-Meisterschaftsrunde 1949/50 bestritten die SG Friedrichstadt und Horch Zwickau ein echtes Endspiel. Bei der SGF handelte es sich um die Nachfolgerin des zwangsaufgelösten Traditionsklubs Dresdner SC. 60.000 erboste DSC/SGF-Anhänger stürmten den Platz ob zahlreicher Fehlentscheidungen des Schiedsrichters, welche damit zusammenhingen, daß die SGF anders als ihr Gegner noch keine vorbildliche Betriebssportgemeinschaft darstellte. Auch dieser Verein wurde daraufhin zwangsaufgelöst. Zwecks Rettung des freigewordenen Ligaplatzes für die Stadt übernahm die tiefklassige SG Deutsche Volkspolizei Dresden das Startrecht - kampflos. Um diesem Klub erstmal zu einer konkurrenzfähigen Mannschaft zu verhelfen, ordnete der Trägerverband Deutsche Volkspolizei (der sich später in Dynamo eingliederte) ein Probetraining für dutzende DVP-Spieler aus dem ganzen Land im brandenburgischen Forst an. So ging es los. Aber man sieht sich immer zweimal im Leben. Nach der Wende schufen verantwortungsbewußte Fußballfreunde den Dresdner SC aus seinen Spuren neu. Beide Klubs sollten sich sogar in der Liga begegnen. Doch mit einer engstirnigen Unvernunft, wie sie auch beim irrationalen Fußball niemals vorkommen darf, traten die Zuschauer den DSC mit Füßen. Sie zündeten Rauchbomben und verbrannten öffentlich DSC-Schals, um zu verstehen zu geben, daß Dresden keinen Traditionsverein aus dem Volke haben wolle, sondern daß man sich an das nunmehr gewohnte Staatsgeschenk Dynamo klammert. An den Stasi- und Retortenklub, der sich nicht im Mindesten von seiner Vergangenheit distanziert.