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Rettet den Vereinsnamen „Teutonia“!



„Teutonia“ war mal ein ganz gebräuchlicher Vereinsname. Zur Gründerzeit ungefähr von 1890 bis 1910 zählte er locker zu den „Topp 5“ der Wortnamen überhaupt. Ansonsten fast flächendeckend zugegen, ergaben sich Verbreitungslücken nur im weiten Nordosten (hier bloß aus Stettin und mit einem Cluster bei Stolp in Hinterpommern überliefert) sowie in den Alpenländern (bis auf je einen Vertreter in Wien und Zürich). Was aber keinen inhaltlichen Grund gehabt haben kann, denn derart benannte Studentenverbindungen fehlten auch dort in keiner Universitätsstadt. Als die Kurmark-Zigarettenfabrik 1931 ihr legendäres Sammelalbum mit den Namen, Farben und Wappen aller 645 damaligen Erstligisten auf den Markt brachte, befanden sich darunter immer noch sechs Namensträger: Union-Teutonia Kiel, Teutonia Lippstadt, Teutonia München, sowie die „Ostklubs“ Teutonia Aschersleben, Teutonia Chemnitz und Teutonia Netzschkau (Mitteldeutschland hatte wegen seines kleinräumigen Ligenzuschnitts ein starkes Übergewicht, wovon die Verhältnisse ja aber nicht berührt sind). Dennoch bahnte sich an, daß zufällig ausgerechnet die funkelnde Schönheit Teutonia zum sportlich erfolglosesten aller Vereinsnamen werden sollte. In den Gauligen von 1933 bis 1945 ließen sich erst im letzten Jahr, als die Ausmaße schon wieder sehr kleinräumig waren, vier ent­sprechende Vereine blicken, die dann kaum noch Spiele austragen konnten. Seit Straffung der Zweitklassig­keit ab 1963 verzeichnen wir auch keine zweitklassigen Teutonias mehr, außer dem einjährigen Gastspiel des inzwischen längst erloschenen saarländischen Klubs Teutonia Landsweiler-Reden. Überraschend spielte noch Teutonia Watzenborn-Steinberg 2016/17 in der Regionalliga Südwest mit. Natürlich finden wir dieses kulturell so wichtige Wort auch als Name auf anderen Gebieten, von den erwähnten Burschenschaften bis zu Gesangsvereinen, vom Kinderwagen-Hersteller bis zum Zementwerk. Als Standardname für Fußballvereine ist er indessen aus dem allgemeinen Bewußtsein verschwunden. Teutonia lehrt uns somit, daß wir grundsätzlich bei keinem Land davon ausgehen können, mittels Durchsicht der oberen Ligen in ihrer aktuellen Besetzung schon über das jeweilige Vereinsnamenswesen firm zu sein.


Ähnlich wie auch bei Viktoria, Germania und Alemannia schmolz der Bestand an Namensträgern nach und nach auf die heutigen 37 Stück zusammen (Stand 2018). Im ersten Moment mag das nicht bedrohlich erscheinen, Arminia gibt sich z.B. noch seltener die Ehre. Aber erstens kommt Teutonia von einem verdammt hohen Niveau, steht jetzt auf der Schwelle vom Massengut zu bezugslosen Einzelfällen, und wird dadurch des wahren Charakters beraubt. Zweitens ist weit und breit kein sicherer Spitzenklub zu entdecken, der den Namen wenigstens als Einzelfall am Leben erhalten könnte. Die einzige Resthoffnung Teutonia Lippstadt aus Westfalen wurde 1997 abgesägt. Bei allem Verständnis für die Notwendigkeit der Fusion mit Borussia, das war ein katastrophaler Schlag für den Namen und das Vereinsnamens­wesen allgemein. Teutonia Watzenborn-Steinberg hätte seinen Namen 2018 bei der Fusion zum Gießener „Stadtverein“ problemlos durchbringen können, wollte aber unbedingt den eigenen Tod erleben. Drittens setzt sich der Abwärtstrend unvermindert fort. Von 2000 bis 2014 brach ein Viertel des Bestandes weg (aufgelöst, wegfusioniert, mit keiner Herren­mannschaft mehr im Spielbetrieb oder in anderslautenden Spiel­gemeinschaften). Nahezu alle verbliebenen Klubs hängen am Seidenen Faden. Die 23 Dorfklubs sind oft in so kleinen Orten daheim, daß man bald keine Kader mehr wird füllen können, und auch die zwölf wenig exponierten Großstadtklubs dürften sich dem grassierenden Fusionsfieber nur schwer entziehen können. Selbst die in Mittel­städten führenden Klubs Teutonia Uelzen und Teutonia SuS Waltrop haben ihre jewei­ligen Konkurrenten nicht genug abgeschüttelt, um als „Stadtverein“ von der Bevölkerung die unumschränkte Ewigkeitsgarantie zu genießen; vielmehr befinden sich beide ebenfalls in der klassischen Fusionslage.



Gebiet


2000 - 2018 weggebrochen


Bestand 2018


Schleswig-Holstein, Hamburg





Teutonia Alveslohe,
Union-Teutonia Kiel,
Teutonia Ottensen 05,
Teutonia 1910 (ohne Ortsname, aus Altona)


Niedersachsen


Teutonia Erlte


Teutonia Groß Lafferde,
Teutonia Sorsum,
Teutonia Stapelmoor,
Teutonia Steddorf,
Teutonia Tiddische,
Teutonia Uelzen


Ostdeutschland, Berlin


Teutonia 23 Rastow,
Teutonia Siegersleben,
Teutonia Wehnde


Teutonia Bockau,
Teutonia Netzschkau,
Teutonia Siersleben,
SSC Teutonia 99 (ohne Ortsname, aus Spandau)


Hessen


Teutonia Bechtheim,
Teutonia Laubach,
Teutonia Steinheim,
Teutonia Wallroth,
Teutonia Watzenborn-Steinberg


Teutonia Großen­lüder,
Teutonia Hausen,
Teutonia Kohden,
Teutonia Köppern,
Teutonia Magdlos,
Teutonia Staden


Westfalen


Teutonia Ossendorf,
Teutonia Silixen


Teutonia Altstadt Bielefeld,
Teutonia Coerde 60,
Teutonia Vinsebeck


Ruhrgebiet





Teutonia Ehrenfeld,
Teutonia Lanstrop,
Teutonia Riemke,
Teutonia Schalke-Nord,
Teutonia Überruhr,
Teutonia SuS Waltrop
(Freizeit-Fußball: Teutonia Essen 82)


Nordrhein


Teutonia Echtz,
Teutonia Aldenhoven,
Teutonia Niedermerz,
Teutonia Widdersdorf


Teutonia Kleinenbroich,
Teutonia St. Tönis,
Teutonia Weiden


Rheinland-Pfalz, Saarland


Teutonia Jägersfreude,
Teutonia 08 Weiler





Baden-Württemberg


Teutonia Hirschlanden


Teutonia Schonach


Bayern


Teutonia Haßlach


Teutonia Gaustadt,
Teutonia München,
Teutonia Obernau,
Teutonia Reichenbach






Da wir im deutschen Fußball lediglich rund 20 typische, überall verwendbare Wortnamen besitzen, wäre es dumm, auch nur einen davon ohne triftigen Grund auszustoßen. Das Fehlen eines Mosaiksteinchens beschädigt obendrein das Gesamtkunstwerk. Also gilt es, weitere Löcher im Teutonia-Netz zu verhindern, möglichst sogar vor­handene Löcher zu stopfen. Dazu müssen zunächst die verbliebenen Namensträger fit gemacht werden. Diese neigen dazu, ihren Namen mit der engen Definition zu erklären, mit jenem Volksstamm aus Dänemark, der vor der Zeitenwende über die Römer herfiel und ihnen letztlich vernichtend unterlag. Bei dieser Deutung braucht man sich über mangelnde Akzeptanz im eigenen Verein und erst recht bei Fusionspartnern nicht zu wundern. Sie ist auch eine Unter­stellung gegenüber den Urvätern, und sie wirft die Frage auf, wie Teutonia eigentlich zu einem großen Namen werden konnte. Nein, „Teutonia“ steht für Selbstbewußtsein auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene, für Identität als Volk, Menschenschlag und Verein, für Zufrieden­heit mit sich selbst in der vertrauten Umgebung! Etwas Spielraum für subjektive Interpretationen macht den Namen nur noch schillernder und unangreifbar. So kann man mit guten Karten in unausweichliche Fusions­verhandlungen ziehen, deren Ziel es sein muß, den Namen Teutonia im Nachfolgeverein unterzubringen. Sowohl Dorfklubs als auch Stadtteil­klubs können das „Heilbronner Verfahren“ vorschlagen (FC Heilbronn + Union Böckingen = Union Heilbronn). Demnach entstünde z.B. aus der Fusion zwischen dem Kleinstadtklub SV Musterstadt und dem Dorfklub Teutonia Musterdorf der Verein Teutonia Musterstadt. Dabei wird der eigene Ortsname oberflächlich zwar geopfert, doch lebt er in „Teutonia“ fort. Wer mit solch einem pfiffigen Angebot zugleich die oft sehr problematische Suche nach einem bequemen Ortsnamen für den Fusionsklub auflöst, kann mit Zustimmung rechnen. Und als weitere Handelsware hat man ja - sofern sie sich nicht gleichen - auch noch die Vereinsfarben im Köcher.


Um die Anzahl an Teutonia-Namensträgern auch wieder nach oben zu schrauben, sind zwei realistische Wege denkbar. Zum einen tun sich Freizeit-/Thekenmannschaften leichter damit, „martialische“ Namen auszuwählen, weil sie sich gern ironisch selbst auf die Schippe nehmen. Manchmal erfolgt aber eines Tages der Übertritt in den offiziellen Spielbetrieb - und der nötige Ernst ist da. Zum anderen kann man den Namen gegebenenfalls im Zuge von Fusionen oder auch ohne Anlaß aus der Mottenkiste der Vereins­geschichte ausgraben. Nach dem „Eberswalder Verfahren“ (Motor Eberswalde + Freya Marienwerder = Preussen Eberswalde) ist der Name dann weder zu weit hergeholt, da er ja schon einmal getragen worden war (hier „Preussen“ von Motor Eberswalde), noch empfindet der andere Partner diese Namenswahl als schlagseitig und ungerecht. Auf diese Weise könnten Teutonia-Namensträger wieder in vier Großstädten (Chemnitz, Erfurt, Hamm, Kassel) zur zweiten Kraft werden, in drei Mittelstädten (Detmold, Gummers­bach, Konstanz) zur Nummer 1. Für einen Lichtblick sorgt schonmal der württembergische TSGV Rechberg: Obwohl bereits 1936 aus dem Vereinsnamen herausgefallen, heißt die Mitgliederzeitung heute „Teutonia-Aktuell“. Laut neuer Vereinshymne brächte „Teutonia“ dort auch den Platz zum Vibrieren. Eben drum.