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Klageverfahren um die Netzadresse „fc.de“
„1.FC“ ist wahrlich kein auf das Internet zugeschnittener Vereinsname. Man könnte ihn ohne den Punkt in die Netzanschrift aufnehmen, aber die meisten Namensträger lassen die Vorschaltung lieber gleich ganz weg. Wenn dann auch noch die lange Zeit gültige Umlaut-Sperre zum Tragen kam, mußte beispielsweise der 1.FC Köln seinen Auftritt unter der entstellenden Namenswiedergabe www.fc-koeln.de abhalten. Welch unbefriedigender Zustand. Andererseits haben die genauen Adressen stark an Bedeutung verloren, seit Suchmaschinen auf jeder Seite oben rechts eingebunden und sofort bei der Zielfindung behilflich sind. Dennoch bleibt der Besitz der besten Domains immer noch eine Prestige-Angelegenheit.
Nachdem von der Zentralverwaltung (DENIC) ab 2009 auch zweistellige Adressen freigegeben wurden, sicherte sich ein bayrischer Privatmann als Wertanlage die Domain „www.fc.de“. 2016 schaute er sich um, welche hochrangigen Fußballvereine ein „FC“ im Namen haben, und machte diesen Verkaufsangebote. Viel Erfolg hatte er nicht, denn wie jeder halbwegs bewanderte Fußballfreund weiß, kann etwa ein FC Bayern München herzlich wenig damit anfangen. So mit der Nase drauf gestupst, stieg nur in einem Klub brennendes Interesse auf: Beim 1.FC Köln. 5.000 Euro wurden von dort geboten; 50.000 Euro forderte der Besitzer. Angesichts dieser unüberbrückbaren Spannweite nahmen die Kölner bei der Zentralverwaltung einen sogenannten Dispute-Eintrag vor, was besagt, daß der Besitzer „fc.de“ nicht an Dritte abtreten durfte, und daß die Domain im Löschungsfall auf den 1.FC Köln übergegangen wäre. Zum Erzwingen der Löschung zog man vor Gericht.
Eine 62-seitige Anklageschrift wurde vor dem Landgericht Köln verlesen. Der Anwalt des 1.FC Köln legte dar, wie sehr der Klub das Kürzel „FC“ zur Außendarstellung nutze, es sich etabliert habe und umfassend in der Sportberichterstattung verwendet würde. Deswegen sei der 1.FC Köln als Inhaber der „bekannten Bezugsmarke FC“ anzusehen. Schon Jahre zuvor hatte man - neben Dutzenden anderen Wörtern, Sprüchen, Grafiken und Ziegen-Figuren - das „FC“ beim Deutschen Patent- und Markenamt eintragen lassen. Zur Untermauerung des Anspruchs standen mehrere Aktenordner mit Belegen auf dem Tisch, darin auch Bescheinigungen anderer großer FC- und 1.FC-Namensträger, wonach diese die Kurzform „FC“ dem 1.FC Köln überlassen. Naturgemäß sah es die Gegenseite anders. „FC“ stünde für eine Reihe von Begriffen, insbesondere auch allgemein für „Fußballclub“. Lediglich in seiner Heimatstadt meinten die Fußballfans damit eindeutig den 1.FC Köln. Es gäbe im In- und Ausland so viele Vereine mit „FC“ im Namen, daß ein Namensrecht hier nur am kompletten Namen „1.FC Köln“ bestehen könne. Außerdem wäre der Verein in seinem Tun nicht beeinträchtigt, da er ja unter der Adresse „fc-koeln.de“ erreichbar ist. Diesen Ansichten widersprach das Gericht. Laut seinem Urteil hätte zwar keine Verletzung von Markenrechten vorgelegen, da die Domain zu nichts benutzt worden war, jedoch würde der Besitz einen Verstoß gegen das Namensrecht nach § 12 Bürgerliches Gesetzbuch bedeuten. Einige Auszüge aus dem Urteilsspruch: „(...) muss ein Namensrecht des Klägers aufgrund der lang andauernden und bundesweiten Benutzung der aus dem Namen ‚1.FC Köln’ gebildeten Abkürzung ‚FC’ angenommen werden. Unstreitig verwendet dieser Fußballverein seit vielen Jahren nicht nur selbst die Abkürzung ‚FC’. Vielmehr ist dies auch in der Sportberichterstattung in sämtlichen Medien so (...). Unter dieser Abkürzung ist er, wie die Mitglieder der Kammer auch aufgrund eigener Erfahrung beurteilen können, in den beteiligten Verkehrskreisen - zumindest den fußballinteressierten - bekannt. Eine Bekanntheit in allen denkbaren Verkehrskreisen (…) ist nicht Schutzvoraussetzung. (...) werden jedenfalls andere Fußballvereine, die in ihrem vollen Vereinsnamen das Kürzel ‚FC’ führen, regelmäßig nicht allein mit diesem Kürzel benannt, sondern durch weitere Buchstabenzusätze (Bayern München = FCB; FC Augsburg = FCA; usw.). (…) Vielmehr belegen die aufgezeigten Fälle gerade umgekehrt, dass dem Kürzel jedenfalls vielfach von Namensträgern Unterscheidungskraft beigemessen wird. Im Übrigen ist es nicht und kann es auch nicht Voraussetzung des Namensschutzes sein, dass eine Namensverwendung nur durch einen einzigen Namensträger erfolgt. (…) Nach der Erfahrung der Kammermitglieder erscheint es vielmehr ausgeschlossen, dass umgangssprachlich das Kürzel ‚FC’ außerhalb der Benennung bestimmter Fußballvereine an Stelle des Wortes ‚Fußballclub’ tritt. Dass etwa die Frage ‚Wie viele Fußballclubs gibt es in der Stadt?’ auch mit dem Kürzel ‚FC’ gestellt werden könnte (‚Wie viele FCs gibt es in der Stadt?’) erscheint fernliegend.“. Der Angeklagte wurde verurteilt, in die Löschung der Domain einzuwilligen.
Über diese Entscheidung machte sich in den Kommentarspalten der Medien und Netzwerke öffentliches Unverständnis breit. Die Verhandlung hätte nicht ausgerechnet in Köln stattfinden dürfen, hieß es vielfach. Man warf den Richtern Befangenheit vor und witterte den berüchtigten „Kölschen Klüngel“. Viele Menschen erklärten, was sie persönlich mit dem Buchstabenpaar „FC“ verbinden, nämlich meist „Fußballclub“ allgemein und/oder etwaige Namensträger aus der jeweiligen Heimatgegend. Der Verurteilte entschied sich, in Berufung zu gehen.
Vor dem Oberlandesgericht Köln, also weiterhin in der unparteiischen Stadt, sollte sich das Blatt dann wenden. Hier konnte sich die neue Kammer mit dem Argument der „lang andauernden und bundesweiten Benutzung“ der Kurzform als Synonym für den Kölner Verein nicht anfreunden. Das OLG tendierte klar zur Auffassung des Domain-Inhabers, nur Fußballfreunde in Köln meinten mit dem Kürzel „FC“ auch eindeutig den 1.FC Köln: „Wir bezweifeln, dass in Oberbayern oder in Sachsen bei der Verwendung von ‚FC’ gleich an Köln gedacht wird. (…) Tatsächlich kann das Kürzel für eine ganze Reihe von Begriffen stehen, unter anderem für andere Fußballvereine mit dem Namenszusatz ‚FC’. Im Duden ist auch die Bedeutung ‚Fechtclub’ aufgeführt.“, so die Richter. Das Namensrecht des Klubs könne somit nur an seinem vollständigen Vereinsnamen bestehen. Entsetzt sprang der Anwalt des 1.FC Köln auf. Es sei „ein Stich ins Herz“ der Fans, wenn die begehrte Domain nicht zum Verein gehört. Weltweit gäbe es keinen anderen „Fußballclub“, der nur mit „FC“ abgekürzt wird. Er stellte den Antrag, eine demoskopische Umfrage als Gutachten durchführen zu lassen. Das Gericht wies darauf hin, daß man sich dabei kostenmäßig dem Streitwert nähern würde, und forderte die Parteien auf, stattdessen einen Vergleich zu finden. Da dem 1.FC Köln ein vollständiges Unterliegen drohte, zeigte er sich nun zahlungsbereit. Zusätzlich zu den ohnehin aufgebürdeten Anwalts- und Gerichtskosten bot er 20.000 Euro für die Löschung - sprich Übertragung - der Domain. Der Inhaber schlug ein, 2017 erfolgte der Besitzwechsel.
Als unabhängiger Beobachter ist man gerührt davon, wie sehr der Verein diese eine Sache haben wollte, weil sie ihm soviel Identität bedeutet, und er sie schließlich auch kriegte. Wirklich beeindruckend! Andererseits wurde es auch mal Zeit für die öffentliche Feststellung, daß das Führen der „regelwidrigen“ Kurzform „FC“ eben kein allzu toller Beitrag zu unserer Fußball- und Alltagskultur ist. Und wenn wir das Geschehen nochmal aus Sicht des früheren Domain-Inhabers durchspielen, läßt sich aus dem Verfahren ganz nebenbei für jeden eine Lehre ziehen: Nach einer verlorenen ersten Halbzeit nicht den Kopf hängen lassen, mit ungünstigen Schiedsrichterentscheidungen nicht lang hadern, weiter an sich glauben!