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Ode an den Vereinsnamen „Hannover 96“
Am Erscheinungsbild von Hannover 96 prickelt nicht alles. In anderen Farben als in den Vereinsfarben zu spielen, ist z.B. eine vollauf bescheuerte Untugend, für die es keinerlei Rechtfertigung geben kann. Doch zum Glück befassen wir uns hier ja mit Vereinsnamen. Soweit bekannt, wurde der Name dieses Klubs bisher immer nur als gegeben hingenommen, aber noch nie besonders gewürdigt. Das ist schade, denn bewußte Wahrnehmung fördert die Lebensfreude. Und hier lohnt es sich nun wirklich.
Jahreszahlenklubs stechen von Haus aus hervor, weil ihre Gruppe die kleinste ist. Unter normalen Umständen hätten wir davon in der deutschen Eliteklasse doch nur Schalke 04, Hannover 96 und zeitweilig 1860 München umherlaufen. Dieses Namensprinzip kann nicht als Regelmäßigkeit funktionieren, sondern nur als Ausnahmeerscheinung, um dann immer auch die Allgemeinheit mitzubereichern. Sind noch mehr Zahlenträger vorhanden (Bayer 04 Leverkusen, Mainz 05, u.a.), gerät das Verhältnis aus den Fugen. Was dadurch aber erst recht auffällt: Daß eine 90er-Jahreszahl im Vergleich zu 00er-Jahreszahlen besonders imponiert. Grund hierfür ist zum einen schlicht die zahlenmäßige Höhe. Zum anderen haben wir gut 100 Jahre nach dem Einzug des Fußballs in Deutschland noch im Hinterkopf, daß die Traditionsvereine aus dem Zeitraum 1890 - 1909 datieren, weshalb die 90er-Jahreszahlen als die älteren erkannt werden. Läßt man nun die beiden gegenläufigen Parameter „Höhe der Zahl“ und „Alter“ aufeinander zusteuern, bis sie sich auf der insgesamt beeindruckendsten Stufe treffen, landen wir ziemlich genau bei der 96. Zusätzlich besitzt diese Zahl ein weiteres Merkmal, wodurch sie so „auserwählt“ erscheint. Es ist das symmetrische Schriftbild (Punktsymmetrie). Außer bei den theoretisch verwendbaren Zahlen 69 und 88 kommt diese Eigenschaft im deutschen Vereinsnamenswesen sonst nicht vor, nur fast bei VfV (Achsensymmetrie) und gefühlt bei Schnapszahlen sowie bei SuS. In der französischen Schweiz wurde der Wortname von Xamax Neuchâtel auf die in kompletter Großschreibung erreichte Achsensymmetrie hin entwickelt. Nicht daß Symmetrie ansich etwas Erstrebenswertes wäre, aber man kann es - im wahrsten Wortsinn - drehen und wenden wie man will, sie steigert den Glanz. Noch mehr Mystik versprüht natürlich die 99, jedoch auf Kosten des Ernstes.
Prüfen wir als nächstes das optische Zusammenspiel mit dem Ortsnamen. Im Wort „Hannover“ weist kein einziger der Kleinbuchstaben eine Ober- oder Unterlänge auf. Was sich auch in der Deutschen Schrift nicht ändert. Um die Vorderlastigkeit abzumildern anstatt sie noch weiter zu verschärfen, müßte in der Tat hinten etwas drangebaut werden. Als Bezeichnungsnamenklub z.B. mit dem Namen „Hannoverscher SV“ würde dies allerdings nicht klappen, weil dann für die grammatische Beugung des Ortsnamens sogar erst noch zwei weitere schmallaufende Kleinbuchstaben erforderlich wären (jedoch nicht in der Deutschen Schrift, in der das „s“ von oben bis unten reicht). An dieser Stelle ein interessanter Einschub: Hannover gehört zu den ganz wenigen Ortsnamen, die sich grammatisch je nach Geschlecht des Bezugsworts unterschiedlich verhalten. Nehmen wir als Beispiele „Fußballverein“ (FV) und „Fußballgemeinschaft“ (FG), und zum Vergleich Nürnberg. Dann hieße es gleichermaßen Nürnberger FV wie Nürnberger FG, aber veränderlich Hannoverscher FV und Hannoversche FG. Größere Städte, bei denen dieses Phänomen ebenfalls auftritt, sind Münster, Halle, Salzgitter, Neumünster, Celle. Aber zurück zu 96. Für das Schriftbild ist es also das Beste, die dünne Stange aus Kleinbuchstaben unter Vermeidung grammatischer Beugung mit einer Jahreszahl zu beantworten. Und selbst unter den Zahlen kann noch differenziert werden. Anspruchsvolle Schriftarten arbeiten mit Mediävalziffern. Bei ihnen sind zwecks lebhafteren Ausdrucks einige Ziffern hoch- oder niedergestellt. Die 9 ragt dann nach unten, die 6 nach oben. Von allen 90er- und 00er-Zahlen nimmt neben der 96 nur noch die 98 so wünschenswert viel Raum ein. Im entstandenen Gebilde schaut die 9 zugeneigt zum Ortsnamen hinüber, und erschafft dabei eine ungewöhnliche Verbundenheit, indem sie sich andeutungsweise unter ihn schiebt, während die 6 als Abschluß oben heraus kampfeslustig den Säbel ausfährt. Nichts, absolut nichts würde so gut zu „Hannover“ passen wie „96“. Daß dies auch umgekehrt gilt, treibt den Wahnsinn auf die Spitze. Hinter der dünnen Stange bekommt die aparte Zahl eine Bühne, wie sie sie nirgendwo sonst hätte !!
Umso aufmerksamer möchte man nun dem Klangbild lauschen. Mit sieben Silben bewegt sich die mittlere Gestalt am Oberrand des Normbereichs; achtsilbige Vereinsnamen wie 1.FC Kaiserslautern oder 1860 München werden bereits etwas schneller gesprochen oder verkürzt. Alle sieben Silben enthalten unterschiedliche Vokallaute. Die einzelnen Empfindungen lassen sich etwa wie folgt beschreiben: „Ha“ (= Achtung, es folgt eine wichtige Durchsage!), betontes „no“ (= vollmundige, unüberhörbare Anwesenheitsbekundung), „vaeae“ (= nebliger Abtritt, der eine Fortsetzung andeutet, wie es sonst die grammatischen Beugungen bei Hintanstellung des Kürzels auch so schön tun), „Seck“ (= jetzt wird richtig angezogen), „sunn“ (= letzte Erdung vor dem Schlußakt), betontes „neun“ (= viel Schwung), „zich“(= pointierter Abschluß, wie ein mit der typischen Handbewegung gesetzter i-Punkt). Unglaublich aber wahr, dieser Vereinsname liefert auch ein Wunderwerk der Phonetik ab. Nach derart verdichteter Klangqualität müßte man in beliebigen siebensilbigen Textabschnitten weltweit lange suchen. Es wäre interessant zu wissen, ob diese sprachlichen Höchstleistungen von den damaligen Hannoveranern erkannt worden waren, und sie die mittlere Gestalt „Hannover 96“ ganz bewußt entstehen ließen. Daß für die förmliche Benennung bis heute in die Vierstelligkeit, also zu „1896“ gewechselt wird, könnte im Umkehrschluß ein Hinweis darauf sein.
Daheim wird der Klub vertraut „96“ genannt. Außenstehende Medien und Fußballfreunde tun sich mit dieser Kurzform ein bißchen schwer. Das ist nur allzu verständlich, denn wo kein Jahreszahlenklub zur Kulturlandschaft gehört, kann mit einer puren Zahl als Vereinsbenennung auch nicht sicher umgegangen werden; von der Verwechslungsmöglichkeit mit statistisch gemeinten Zahlen ganz abgesehen. Zumindest schriftlich findet daher über die Szenen hinweg „H96“ Anwendung. Diese Kurzform trifft man im Raum Hannover so gut wie nie an, dessen Bevölkerung geschult ist, „96“ in der rechten Hör- und Lesart herauszufiltern. Eine eigene Kurzform für den Fremdgebrauch, sowas gibt es nur selten (andere Beispiele wären das „Stukis“ für die Stuttgarter Kickers oder das „ManU“ für Manchester United). Aber da beides berechtigt erscheint, hätte eine solche Zweigleisigkeit durchaus das Zeug zum grundsätzlichen Muster für alle Jahreszahlenklubs. Im Außenverkehr H96, S04, 60M, D98, M05, A93, W09, usw. - warum nicht?!
Trotz des bekannten Vorlagengebers sind die 96-Namensträger im Lande rar gesät. An geborenen Fußballklubs aus dem Jahr 1896 zählt man lediglich einen Genossen. Jener Klub, die Nr. 2 einer Großstadt, begegnet uns schwankend von „VfL Halle“ über
Bei Schönberg 95 paßt die angerauhte Zahl viel besser zum lieblichen Ortsnamen als es eine 96 täte. Das knappe Erzeugnis