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Abschied vom Rugby-F
Rugby, welches in Deutschland auf eine noch etwas längere Laufbahn als Fußball zurückblickt, wurde anfangs ebenfalls „Fußball“ genannt. Hierüber kann man sich im Bericht „Geschichtswerke / Rugby im Fußballgewand“ schlaumachen. Die meisten Rugby-Vereine mit einem entsprechenden „F“ im Namen gaben selbigen spätestens in den 1920er Jahren auf. Nur zwei hannoversche Klubs schworen sich in Nibelungentreue daran festzuhalten, der FV 1897 Linden und der FC Schwalbe Döhren. Doch was heute vom Vermächtnis übrig ist, hat auch keinen geschichtskundlichen Wert mehr.
2014 schrieb 1897 Linden in seinen Hausmitteilungen: „Da wie man sieht kein Fußball mehr angeboten wird, haben wir in unserer Jahreshauptversammlung dieses Jahr beschlossen, uns umzubenennen, und so ist aus „F.V. 1897 Linden e.V.“ „1897 Linden e.V.“ geworden.“. Uff, an diesem Brocken schluckt man hart. Grundsätzlich freut es ja, daß Ehrenämter überhaupt noch besetzt werden. Und den Verantwortlichen sei dann natürlich auch erlaubt, Wege auszuloten, um das Überleben eines Traditionsvereins zu sichern. Im Einzelfall kann die Schicksalsfrage durchaus am Vereinsnamen hängen. Wie zu hören war, störte es den FVL 1897 wohl, daß er immer wieder Eltern darüber aufklären mußte, kein Fußballverein zu sein, wenn sie ihre Kinder zum Kicken anmelden wollten. Das wäre in Norddeutschland, wo Fußballvereine praktisch nie „FV“ heißen, zwar ein Treppenwitz, aber gut. Man könnte allerdings in gegenseitigem Austausch mit den unmittelbar zur rechten und zur linken Seite benachbarten Fußballklubs Alexandria und Elite zusammenarbeiten (nebenbei bemerkt tragen diese beiden ehemaligen Rugby-Klubs übrigens jeweils deutschlandweit einmalige Wortnamen). Am ehesten wäre vorstellbar, wenngleich schlecht zu überprüfen, daß der Namensbestandteil „FV“ den Zulauf zu den tatsächlich angebotenen Sparten abblockt. Bevor der Klub daran stürbe, kann eine Umbenennung als gerechtfertigte Maßnahme angesehen werden. Jedoch nicht mit diesem Ergebnis. Der FV 1897 Linden war auch bisher schon ein Jahreszahlenklub. Es wäre völlig ausreichend und ohnehin empfehlenswert, vom Namensgebilde das „FV“ so weit wie gewünscht aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen, und hauptsächlich nur die mittlere Gestalt „1897 Linden“ anzuführen. Die Natur der Sache, unser Sprachverständnis, unsere gewohnheitsmäßige Erwartungshaltung verlangen allerdings nach einem wenigstens untergeordnet vorhandenen Bezeichnungsnamen. Ohne Vorkenntnisse oder konkreten Themenbezug läßt „1897 Linden“ gar nicht mehr auf einen Sportverein schließen. Daher ist diese Umbenennung auch nicht geeignet, den beabsichtigten Zweck zu erfüllen, nämlich passendere Sportlerkreise anzusprechen.
Seine besondere Dramatik erhält das Geschehen durch die falsche Beurteilung des eigenen bisherigen Vereinsnamens. Das Wissen darüber, daß „Fußball“ hier nicht für Fußball sondern für Rugby steht/stand, scheint in dem Klub vollständig verlorengegangen zu sein. Weil man sich den Namen irgendwann nicht mehr erklären konnte, reimte man sich - offenbar unter Berücksichtigung eines für 1898 vorliegenden Nachweises der Rugby-Betätigung - sogar eine neue Vereinsgeschichte zusammen. Demnach sei der FVL 1897 für das Fußballspielen gegründet worden, und im Jahr darauf zum Rugby übergewechselt. Das meinten sie 2014 mit der Äußerung „Da kein Fußball mehr angeboten wird“! Angesichts dieses Tinnefs stellt sich das vorhin noch halb gelobte Verantwortungübernehmen endgültig in anderem Lichte dar. Schon Generationen von Vorständen müssen in dem Verein geschludert haben. Dann letztlich eine Entscheidung auf dem Sockel der Unkenntnis zu fällen, ist bestimmt kein Ausdruck von Gewissenhaftigkeit. Nachdem Vereinsnamen.de noch recht zeitnah davon erfuhr, wurde sofort ein mehrseitiger Brandbrief rausgeschickt, sowie das Angebot einer Expertise vom „Niedersächsischen Institut für Sportgeschichte“ vermittelt (welches zufälligerweise nur einen knappen Steinwurf von dem Klub entfernt sitzt). Wie es weiterging, ist nicht bekannt. Vermutlich wurde die Umbenennung durchgeführt. Anders als der Wortlaut des veröffentlichten Satzes anklang, fand jedoch - wohl aus Kostengründen - bis heute keine Namensänderung im Vereinsregister beim Amtsgericht statt! Rechtlich gibt es insofern nach wie vor einen FV 1897 Linden. Aber die Wirkkraft dieser Einträge kann man nicht tief genug einschätzen. Wer weiß denn z.B. schon vom „VfL“ im offiziellen Namen des 1.FC Nürnberg oder vom „Mühlburg-Phönix“ beim Karlsruher SC?
Mit der Entfernung des „FV“ zog 1897 Linden zugleich auch den FC Schwalbe Döhren in Mitleidenschaft. Derart im Stich gelassen, vermag dieser letzte Verein mit seinem Namen nun auch keine historische Regel mehr aufzuzeigen. Es ist vorbei. Geben wir das „Rugby-F“ verloren! So schlimm ist das vielleicht auch wieder nicht. Man braucht nichts aus Prinzip zu erhalten, sondern nur wenn es sich um etwas Gutes handelt. Daß zwei Sportarten den gleichen Namen hatten, war schon damals arg ungünstig. Wobei sich Rugby weder vorrangig mit dem Fuß noch mit einem typischen Ball spielt. Was hier für die Bitterkeit sorgt, ist eigentlich ja bloß der Gedanke, daß die lange Rettungstat der beiden Klubs, die einst den Absprung verpaßten, nicht umsonst gewesen sein soll. Dieser Schaden läßt sich dank anderer Mißstände leichter verknusen: Sowohl 1897 als auch Schwalbe verstehen sich zwar immer noch als Rugby-Vereine, besitzen aus Spielermangel jedoch seit Längerem keine Rugby-Abteilungen mehr. Und mit Boxen, Tischtennis oder Nordic Walking könnten sie sowieso schlecht demonstrieren, daß Rugby mal „Fußball“ hieß. Da helfen auch die beiderseits mehrfachen Deutschen Meistertitel nichts. Komisch übrigens, daß der FC Schwalbe, der sich ein Gelände mit dem Fußballverein SpVgg Niedersachsen Döhren teilt, seine anderweitigen Sparten ganz entspannt betreiben kann, ohne von verwirrten Leuten belästigt zu werden, wie es sich angeblich bei 1897 zugetragen hätte …
Also Schwamm drüber. Schauen wir lieber genauer hin, ob die beiden Vereine uns namentlich trotzdem noch etwas bieten können. 1897 Linden ist ein blitzsauberer, unfusionierter Jahreszahlenklub aus der 1890er Zeitspanne! Davon haben wir auch im tatsächlichen Fußball nur sehr wenige Vertreter. Der Namensaufbau mit vierstelliger 1890er-Jahreszahl vor dem Ortsnamen, mag er gefallen oder nicht, steht im deutschen Rasensport einzigartig dar! „Schwalbe“ kam fußballerisch sehr selten zur Anwendung. Bekanntester Namensträger dürfte Schwalbe Brüx aus dem Sudetenland gewesen sein; von der heutigen Handvoll spielt „Blau-Weiß Schwalbe Tündern“ (Hameln) ziemlich hoch. Schwalbe Döhren war der Pionier. Zunächst fällt der Glaube daran schwer, daß aus der Randsportart Rugby heraus eine Vorbildfunktion ausgeübt worden sein konnte. Aber die Namensdeutung kommt zu einem überzeugenden Rückschluß: Da beim Rugby das Vorwärtspassen verboten ist, flitzt der Spieler mit dem Ei im Arm wirklich in dem gleichen reißenden Zickzackkurs durch die gegnerischen Maschen, wie die Schwalbe auf der Jagd nach Insekten. Welch tolle Beobachtung war das von den Vereinsgründern !! Auf dem Fußballplatz sollte man den Raum hingegen erfolgsversprechender per Paßspiel erobern. Selbst wenn mal jemandem ein starkes Dribbling gelingt, erreicht er mit dem Ball am Fuß doch keine Geschwindigkeit, die an den Schwalbenflug erinnern würde. Von daher ist es unwahrscheinlich, daß dieser Name im Fußballbereich noch einmal oder gar öfters neu erfunden wurde. Würdigen wir also trotz allem Schwalbe Döhren und 1897 Linden für ihre Namen! Bei 1897 ist dies ganz praktisch möglich - die Vereinskneipe liegt unweit im Vorfeld der Gästekurve des hannoverschen Stadions, weswegen sie von auswärtigen Fans gern zum Vorglühen aufgesucht wird. Na das ist doch was für den kulturbewußten Sportsfreund.