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Willkür und Schicksal bei der Vereinsbenennung
Hätten Fußballvereine bei der Namenswahl nicht ziemlich freie Hand, gäbe es auf Vereinsnamen.de keine Sammlung mit über 2.000 Einträgen. Gegen den Ball treten kann man fürwahr unter jeder Bezeichnung. Selbst wenn in erster Linie der praktische Zweck zum Ausdruck gebracht werden soll, besteht immer noch eine reiche Auswahl zwischen TSV, STV und TuS, zwischen Eintracht, Union und Concordia, usw. Vereinsnamen sind also in irgend einer Weise das Ergebnis ästhetischer Überlegungen, auch wenn die Ästhetik manches Mal über Gedankenlosigkeit und Beliebigkeit nicht hinauskommt. Das ist der Grundsatz. Nicht daß für jeden Verein der richtige Name auf Abruf bereitstünde und in einem Findungsprozeß zu erarbeiten wäre. Nein, man nimmt sich einfach einen daher, und kultiviert ihn dann mehr oder weniger. Der „Wert“ gleich welchen Vereinsnamens ist niemals sofort da, sondern ergibt sich mit der Zeit durch die Tradition der Namensführung.
Einige Gruppen von Namen beruhen aber nicht ganz auf Willkür. Vor allem mit Jahreszahlen ist man natürlich an höhere Mächte gebunden. Das Selbe traf weitgehend auch auf die Vereine bzw. Betriebssportgemeinschaften in der DDR zu, als sie automatisch den Kampfbegriff des jeweiligen Trägerverbandes zugeteilt bekamen. Ausgerechnet in der DDR wurden aber auch drei Namen durch Volksbefragungen (!) ermittelt: Union Berlin, Hansa Rostock und Energie Cottbus. Frühere Arbeiter-Fußballvereine bewegten sich in einem gesteckten Rahmen, sofern sie diese Eigenschaft namentlich zum Ausdruck bringen wollten (s. „Geschichtswerke / Holzweg Arbeiterfußball“). Vereine, die sich regionalen Gepflogenheiten anschlossen, können bei ihrer Namensgebung ebenfalls auf Schicksalhaftigkeit verweisen. Beispiele dafür wären BC im Raum Augsburg, BV im Raum Quakenbrück-Cloppenburg, „Vereinigte Sportfreunde“ im Raum Breslau-Oppeln, SuEV im oberschlesischen Revier, 1.FC im Raum Pforzheim, SSV im Raum Dillenburg, Tapfer im Raum Leipzig, Wortnamenbildungen mit „-stoß“ im Raum Magdeburg, vorangestelltes A (Arbeiter-/Allgemeiner) in Teilen Frankens, FG im Raum Mannheim-Ludwigshafen, SSVg im Raum Wuppertal, „(Deutsche) Sportbrüder“ im Sudetenland, die Benennung nach Flüssen im Saarland, TuSpo in Nordhessen, und der Begriff „Jugend“ im Raum Düren, wo er heute noch in sechs verschiedenen Spielarten zu Tage tritt (Jugend, Jugendsport, JSV, JV, JVC, VfVuJ).
Neben dieser positiven gibt es auch eine negative Auswahlhilfe für Vereinsnamen, denn innerhalb eines Ortes dürfen verständlicherweise nicht zwei gleichlautende Klubs auflaufen. Hierzu drei Beispiele aus Berlin: Die Gründer von Hertha wurden 1892 um den ursprünglich favorisierten Namen „Germania“ gebracht, weil vor Ort bereits der BFC Germania 88 existierte. Ende des 19. Jahrhunderts gab es in Berlin zwei Vereine namens „Helgoland“, die zunächst gar nichts voneinander wußten. Sie einigten sich darauf, in einem grausamen Entscheidungsspiel um das Namensrecht zu kämpfen. Mit dem Sieg in der zweiten Wiederholung erreichte Helgoland 97 schließlich die Auflösung von Helgoland 98 ... Ja selbst fiktive Vereine können im Wege stehen: 1980 wurde einer Neugründung der Name „1.FC Berlin“ verwehrt, da diesen die großen Berliner Klubs vorsorglich für den Fusionsfall hatten rechtlich vormerken lassen. Mehr zur namentlichen Unterscheidbarkeit s. unter „Namensverbote“. Darüber hinaus kann die Willkür-Freiheit auch durch die allgemeine Lage eingeschränkt sein. So benannten sich mit Ausbruch des
Man sieht es, Willkür und Schicksal liegen oft dicht beisammen, verschwimmen bisweilen gar ineinander. Einige berühmte Vereine erhielten ihre Namen tatsächlich in einer Mischung aus Zufallsereignis (Schicksal) und spontanem Zugriff (Willkür): Hertha BSC ist nach einem Spree- und Havel-Dampfer benannt, Admira/Wacker Mödling (betrifft den Vorgänger Admira Wien) nach einem Atlantik-Kreuzer, Borussia Dortmund nach dem Blechschild einer liquidierten Brauerei, Fortuna Düsseldorf nach dem Schriftzug einer Backstube auf einem vorbeigefahrenen Lieferwagen. Der Vorläufer des TSV Havelse nannte sich nach dem aufgedruckten Markennamen seines ersten Balles „Pelikan“. Und dann gibt es da noch einige Fälle von Namenswanderungen. War der Arbeitersportverein Alpina Zeltweg just vom NS-Regime aufgelöst worden, begrüßte dieses andererseits die Gründung des Werks- oder Sponsorennamenklubs Alpine Zeltweg (Rüstungsindustrie). Kaum war die „SpVg der vereinigten Eisfabriken“ in Wien untergegangen, erschien sie durch Umtaufe von Sparta 16 sofort wieder auf der Bildfläche. Fünf Jahre nachdem der große Duisburger SpV im Jahr 1964 zu Eintracht Duisburg fusioniert hatte, benannte sich ein Duisburger SC frech und unbekümmert in Duisburger SpV um; die Jahreszahl 1900 stimmte eh schon überein. Namentlich unterhaltsam ist auch die legendäre Begegnung zwischen Lok Leipzig und Rotation Leipzig anno 1956, bei der mit 100.000 Zuschauern der bis heute gültige Rekord für Punktspiele in Deutschland aufgestellt wurde. Lok und Rotation, dabei handelte es sich bereits um die späteren Widersacher Chemie und Lok - aber anders als man denkt. Lok war zuvor und danach als Chemie Leipzig bekannt, während Rotation noch zu Lok Leipzig mutieren sollte! Die ungezügelten (willkürlichen) Umräumungen in der frühen DDR und das (schicksalhafte) Ausgeliefertsein an den Namen des jeweiligen Trägerverbandes machten es möglich. Ein unfaßbarer vollständiger Namenstausch geschah übrigens 2004 in der Türkei zwischen den Klubs Kayserispor und Kayseri Erciyesspor.