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Repräsentativität der obersten Ligen
Nun soll einmal der Frage nachgegangen werden, inwieweit das Teilnehmerfeld der obersten Spielklassen in Deutschland als Abbild des ganzen Vereinsnamenswesens taugt. Dazu sind zunächst die Mengenverhältnisse zwischen Bezeichnungsnamen-, Wortnamen- und Jahreszahlenklubs zu betrachten. Die ersten beiden stehen sich zu etwa gleichen Anteilen gegenüber, letztere sind üblicherweise auch durchweg in jeder Liga vertreten. Für Großstadtbedingungen, und um die handelt es sich ja, ist dies die altbewährte deutsche Mischung.
Innerhalb des Viererblocks (FC/FV/SV/SC) nimmt „1.FC“ eine leichte Vormachtstellung ein, was grundsätzlich auch in Ordnung geht. Käme der reinste Fußball-Vereinsname nicht regelmäßig vor, würde schon etwas nicht stimmen, aber mit der anspruchsvollen Vorschaltung ist ja sogar noch ein besonderer Kulturwert verbunden. Im Osten führen jedoch ungeschickterweise fast alle Toppvereine - einschließlich der Wortnamenklubs - den Bezeichnungsnamen „(1.)FC“, weil er bereits in der DDR von den angeordneten „Fußballclubs“ einheitlich getragen wurde, und die auslaufenden Betriebssportgemeinschaften in der Wendezeit blindlings nachzogen. Neben FC Hansa Rostock, 1.FC Magdeburg, BFC Dynamo, 1.FC Union Berlin, Halleschem FC, Chemnitzer FC, FC Carl Zeiss Jena, FC Rot-Weiß Erfurt, zunächst gar auch FC Sachsen Leipzig und 1.FC Dynamo Dresden (dafür aber noch VfB Leipzig statt 1.FC Lok) hätte es wenigstens in Aue und Cottbus gern etwas anderes sein dürfen. Ein Lob dem FSV Zwickau, der sich sehr früh als Gegenpol zur Verfügung stellte, sowie dem SV Babelsberg 03. Mit dem „Stadtverein“ Hamburgs nahm sich zum Glück ein Schwergewicht dem häufigsten Vereinsnamen Deutschlands an. Durch den HSV wird zudem die Hintanstellung des Kürzels seit Jahr und Tag erstklassig gehalten. Seine diesbezüglichen Genossen vom Karlsruher SC, Chemnitzer FC, Halleschen FC und Wuppertaler SV können gerade noch ein Grundgerüst sichern; bei Wortnamen- und Jahreszahlenklubs wie Fortuna Düsseldorf, Eintracht Braunschweig, Alemannia Aachen, Kickers Offenbach, Holstein Kiel, Hannover 96 kommt die Hintanstellung naturgemäß kaum zum Tragen, und Hertha BSC mit seinem verquirlten Namensaufbau ist für keine ernste Betrachtung zu gebrauchen. Die Wichtigkeit der Hintanstellung ergibt sich vor allem aus der Geschichte: Dresdner SC, Chemnitzer BC, Duisburger SpV (einziger westdeutscher Spitzenklub des ersten Vierteljahrhunderts), Meidericher SpV (jetzt leider MSV Duisburg), Freiburger FC, Karlsruher FV („KFV“ war die bekannteste entstehende Kurzform zu Vor-HSV-Zeiten), … Damit wird uns gleich das nächste Stichwort geliefert: Ein Deutschland ohne jeden sichtbaren „Fußballverein (FV)“ kann doch nur ein schlechter Scherz sein! Möglichkeiten zur Etablierung gab es genug, allermindestens entweder der 1.FC Kaiserslautern oder der 1.FC Saarbrücken hätte am Namen FV festhalten sollen. Manchmal fragt man sich auch, ob der Würzburger FV eine Laufbahn wie nun die Würzburger Kickers eingeschlagen hätte, wären die schicksalhaften Qualifikationsspiele zwischen Viert- und Fünftklassigkeit 2012 anders ausgegangen.
Unverschnörkelte Bezeichnungsnamen abseits des Viererblocks müssen sich ihre Nischen suchen. „FSV“ eroberte in Frankfurt, Zwickau und meist mitgenannt beim 1.FSV Mainz 05 angemessene Beteiligungen, „SSV“ beansprucht die Stadtvereine von Ulm, Reutlingen und Hagen für sich. Für das Turn-T ist es ein Glücksfall, daß die versuchte Jahreszahlenprägung bei der TSG 1899 Hoffenheim wieder zurückkippte. Sonst kommt es nur noch markant beim Jahreszahlenklub TSV 1860 München und unscheinbar bei einigen Wortnamenklubs vor. Mit den Namenslandschaften des Amateurlagers stimmt diese Quote sehr wenig überein. Das Ballspiel-B kann sich als Baustein des BV Borussia Dortmund zwar wahrlich nicht beschweren, wird dort jedoch über Gebühr zugunsten der entstehenden Kurzform „BVB“ entfremdet, und hängt zudem so derart unbegleitet in der Luft (wichtigster Bezeichnungsnamenklub ist erst der BV Cloppenburg), daß es auch keinen Wert mehr hat. Vom Namen „BC“, der u.a. bei den hauptsächlichen Vorgängerklubs des 1.FC Köln und des FC Augsburg sowie beim früheren „Stadtverein“ Chemnitzens vorhanden war, fehlt heute jede Spur. Erneut die TSG Hoffenheim macht sich um das „G“ als Buchstabe für das Grundwort verdient, wie auch der Wortnamenklub SG Dynamo Dresden, während es bei der „SG Eintracht Frankfurt“ nur inoffiziell von den Fans aufrechterhalten wird. Die Brücke zum Amateurlager könnte hier stärker ausgebaut sein; zur Zeit tritt die insgesamt eher nichtssagende SG Sonnenhof Großaspach in die Fußstapfen der SG Union Solingen +. Für das T, das G und überhaupt das Tragen eines häufigen Namens verdient noch Hoffenheims nächsthöhere Namensvetterin TSG Neustrelitz Erwähnung.
Unter den Bezeichnungsnamen mit Kleinbuchstaben im Kürzel muß man „SpVgg“ und „TuS“ mit der Lupe suchen. Sie waren im Spitzenfußball allerdings noch nie häufig. Nur das fragwürdige Sprachungetüm SpVgg Greuther Fürth, die SpVgg Unterhaching und TuS Koblenz halten halbwegs die Flaggen hoch. Zieht sich das Band bei den Spielvereinigungen über SpVgg Bayreuth, SpVgg Erkenschwick, Hammer SpVg nahtlos in niedere Gefilde herab, ist es auf Seiten von TuS inzwischen gerissen! Erst fuhr der Verräter SC Paderborn 07, statt mit seinem früheren Namen TuS einen wertvollen Beitrag zu leisten, lieber dem deutschen Vereinsnamenswesen an den Karren, dann verabschiedeten sich die „Stadtvereine“ TuS Iserlohn und TuS Lingen, und nun verlor auch noch TuS Celle die örtliche Vormacht. Eine traditionell gut vertretene Gruppe bilden dagegen die „Vereine für ...“. Mit der VfL-Achse Bochum-Osnabrück-Wolfsburg - plus dem Vorkommen bei Borussia Mönchengladbach - sind wir bestens bedient. In der VfB-Achse Stuttgart-Oldenburg-Lübeck wird der VfB Leipzig vermißt (zumal auch noch der VfB Königsberg zu sühnen ist), aber dafür legt sich der VfB Auerbach seit Jahren mächtig ins Zeug. Die VfR-Achse Aalen-Mannheim-Neumünster kann ihre schlechteren Voraussetzungen nur durch Kraftakte wettmachen; der VfR Neuß als einziger großstädtischer „Stadtverein“ ist völlig abgestürzt.
Von den grundlegenden Wortnamen ist eine ganze Reihe mit wenigstens einem Vertreter öffentlich zugegen: Alemannia, Arminia, Borussia, Eintracht, Fortuna, Hansa, Hertha, Kickers, Union. Der deutsche Über-Vereinsname „Eintracht“ wird brauchbar von der Achse Braunschweig-Frankfurt-Trier verkörpert, zum Glück meistens auch in der 1. Liga. Nach Concordia, Germania, Phönix, Teutonia und Vorwärts hält man indes vergebens Ausschau. Germania Halberstadt kann die ganze Last eines so bedeutenden Namens jedenfalls unmöglich allein schultern. Bei der anhaltenden Aschaffenburger Schwäche erkämpft sich „Viktoria“ verlorenen Boden lieber in Berlin und Köln zurück. „Wacker“ hält sich - mit österreichischen Sicherheiten - gerade so in Burghausen und Nordhausen über Wasser. Vom Schriftbild her springt aber gewissermaßen „Werder“ in die Bresche, das neben „Energie“ zu den unrepräsentativen Einzelfällen gehört. Energie und Dynamo obliegt also die Aufgabe, Erinnerungen an die DDR wachzuhalten. Für regionale Gebietsnamen sind Bayern München, Bayern Hof, Hessen Kassel, Holstein Kiel und auch Westfalia Herne weithin bekannt. Diese Rate paßt, jedoch würde man sich für den erfolgreichsten Verein eigentlich den Mehrwert eines typischen Fußball-Vereinsnamens wünschen, nicht ausgerechnet die ohnehin alltäglich gebrauchte Bezeichnung eines aktuellen Bundeslands. Des weiteren hat sich Preußen außerordentlich gut im Spitzenbereich breitmachen können. Hier ist allerdings erstens die Westlastigkeit zu bemängeln, und zweitens die Vormacht der Latinisierung „Borussia“, welche in der Gründerzeit doch höchstens ein Zehntel von „Preußen“ erreichte. Für die Bundesliga könnten da gern die zwei Borussias gegen einmal Preußen getauscht werden. Denn es sammeln sich in der vorderen Tabellenhälfte die Wortnamen auf „B“, und täuschen vor, daß das deutsche Vereinsnamenswesen nicht gut durchstrukturiert sei. Hinzu kommt ja noch „Bayer“ Leverkusen als der Supergau schlechthin. Im Ausland denkt man sich sicherlich seinen Teil zum angeknabberten Namenspaar Bayern/
Obwohl die Riege der Vereine mit Jahreszahlnamen durch Niedergänge viele Verluste erlitten hat (Berlin 92, Bremerhaven 93 +, Dessau 05, Göttingen 05, Halle 96, Hamborn 07, Hanau 93), und auch „1899 Hoffenheim“ als mittlere Gestalt schon wieder Geschichte ist, zeigt sie sich nach wie vor gut aufgestellt. Sie bekam ja sozusagen auch Zuwachs durch die beiden ungeschickt benannten Vereine aus Ingolstadt und Paderborn, bei denen die zugehörigen Zahlen zwar nicht ausreichend geprägt sind, in der Öffentlichkeit aber trotzdem meist mit aufgeführt werden. Abgesehen von Altona 93 fehlen nur die frühen 1890er Jahre, damit die Entstehungsgeschichte dieses Sports wahrheitsgetreu wiedergegeben wäre. Weiter oben macht erst der unbeschreiblich wichtige Namensträger Hannover 96 den Anfang. Das Dreieck Schalke-Hannover-München sichert seit Urzeiten die Gegenwart von Jahreszahlen ab, müßte sich nur dringendst mal wieder in die Ehrentafel der Deutschen Meister eintragen. Was hätte Schalke 04 darin 2001 um ein Haar für eine Auflockerung gesorgt. 1860 München bildet zusammen mit „Jahn“ Regensburg eine lehrreiche Turn-Ecke (aus der der MTV Ingolstadt leider ausschied). Keine andere Jahreszahl als 1860 könnte die zahllosen kickenden Turnvereine treffsicherer repräsentieren, denn in jenem Jahr startete die Turnbewegung - nach einem Zwischenhoch zur Deutschen Revolution 1848 - mit dem ersten offiziellen Deutschen Turnfest zu Coburg so richtig durch. Im Fußballbereich gibt es derzeit etwa 40 1860-Namensträger, jeweils fast 70 1861- und 1862-Namensträger, davor aber nur fünfmal 1859.
Im Anschluß finden wir Deutschlands zehn wichtigste Namensträger aufgelistet. Gradmesser für die Einstufung sind die Repräsentativität des jeweiligen Namens, die sportliche Bedeutung und Bekanntheit des Klubs, das Maß der Alleinigkeit des Namens im höheren Bereich, sowie teilweise noch andere Kriterien. Solch eine Liste bleibt trotz Begründungen gewiß umstritten. Die TSG Hoffenheim ist entgegen der obigen Lobausschüttung nicht enthalten, da sie nach wie vor eher als Kunstprodukt begriffen wird und somit keine Werte vermitteln kann. Auf den Plätzen elf und zwölf würden übrigens wahrscheinlich zwei niedrigklassige Vereine folgen: Der Karlsruher FV als FV-Namensträger mit starker Präsenz in der Fußballgeschichte, und Blau-Weiß 90 Berlin als immer noch allgemein bekannter Ex-Bundesligist, der die aus dem Gleichgewicht geratene Namensgattung „Vereinsnamen gemäß den Vereinsfarben“ von Rot-Weiß wegzieht.
Platz
Verein
Begründung
1
Hamburger SV
Einziger hochklassiger Bezeichnungsnamenklub mit Deutschlands weitaus häufigstem Vereinsnamen SV (die nächsten sind SV Sandhausen und SV Wehen Wiesbaden). Einziger sicherer Toppklub mit Hintanstellung des Kürzels. Musterbeispiel für eine entstehende Kurzform. Musterbeispiel für die unterschätzte Mächtigkeitswirkung von Bezeichnungsnamen. Musterbeispiel für Anordnungsästhetik (vgl. „SV Hamburg“). Vollkommen unverzichtbar!
2
Hannover 96
Älteste immer sichtbare Jahreszahl des Fußball-Zeitalters. Hauptvertreter und Gegengewicht der 90er gegenüber den Nullerjahren. Musterbeispiel für Jahreszahlenprägung (der Bezeichnungsname erscheint ja nie mit in den Statistiken). Musterbeispiel für geistiges Kulturgut. Weltweit an Schönheit nicht zu übertreffen. Vollkommen unverzichtbar!
3
Werder Bremen
Obwohl es sich beim Namen Werder natürlich um einen Einzelgänger handelt, sorgt der Klub damit - neben Eintracht Frankfurt - für die dringend gebotene Durchmischung des verkorksten Wortnamenblocks in der 1. Bundesliga (2x Bayer/n, 2x Borussia, Wortnamen-Eigenschaft bei Hertha BSC aufgrund des Namensaufbaus verdeckt). „Werder“ ist auch gewissermaßen zum Wacker-Ersatz geworden, zumal der ursprüngliche Sinngehalt keinerlei Rolle spielt. Zusammen mit Bayern München und Hertha BSC, bei denen dies jedoch durch Verwechslungsmöglichkeiten gefördert wird, hat Werder Bremen den freigestelltesten Wortnamen, der deutschlandweit allein zur Benennung verwendet wird, während es bei allen anderen Wortnamenklubs eher auf den Ortsnamen hinausläuft. Außer beim VfL Wolfsburg würde der für unsere Sprache typische Buchstabe W im Spitzenbereich komplett fehlen.
4
Alemannia Aachen,
Arminia Bielefeld,
Preußen Münster
Jeweils einzige großstädtische „Stadtvereine“ und einzige allgemein bekannte Träger dieser bedeutenden Vereinsnamen. Bei Arminia folgen danach erst die zweite Kraft Hannovers und der noch brandneue „Stadtverein“ Ludwigshafens, bei Preußen die „Stadtvereine“ Eberswaldes und Hamelns, bei Alemannia nur Kleinstädte (von der absoluten Anzahl der verbliebenen Namensträger ist die Reihenfolge genau umgekehrt). Hansa Rostock, Hertha BSC und Union Berlin sind bei ähnlichen Umständen anders zu beurteilen, da Hansa sowie Hertha keine allzu wesentlichen Standardnamen darstellen, und Union ohnehin eines der globalsten Wörter ist.
7
SpVgg Greuther Fürth,
TuS Koblenz
Jeweils einzige großstädtische „Stadtvereine“ und einzige allgemein bekannte Träger dieser bedeutenden Vereinsnamen. Verschwände dieses unmögliche „Greuther“, wäre eine gesäuberte
9
Eintracht Frankfurt
Einziger verläßlicher und international bekannter Toppklub mit dem wichtigsten deutschen Wortnamen. Ohne die recht gute Absicherung durch Eintracht Braunschweig müßte man einen Platz unter den ersten Dreien vergeben.
10
FSV Zwickau
Enorm wichtiger Auflockerer unter den großen Ostklubs, die hauptsächlich DDR-bedingt fast alle den Bezeichnungsnamen „(1.)FC“ tragen.
Österreich und die Schweiz können in dieser Angelegenheit nicht mit Deutschland zusammen behandelt werden. Bei ihnen sind von Anfang an bis heute weitgehend die gleichen Klubs vorn. Jene haben somit selbst die Trends bestimmt und stellen von Natur aus typische Vertreter der Namensspektren dar. Admira, Austria, Rapid, Sturm und Wacker sind tatsächlich die wichtigsten Wortnamen Österreichs. Daß die nach oben drängenden Kleinstadtklubs hingegen Bezeichnungsnamen wie SV, FC usw. tragen, entspricht auch der Wahrheit, da Wortnamen auf dem Lande kaum vergeben wurden. Die markante Voranstellung „A“ ist derzeit durch den Wolfsberger AC und den Linzer ASK ebenfalls zutreffend abgebildet, genauso wie insgesamt das Nebeneinander von „Club“ und „Klub“ gut sichtbar wird. In der Deutschschweiz könnte die unheimliche FC-Hegemonie, gespickt mit zwei frühzeitlichen englischen Plural-Wortnamen, vom dortigen Treiben auch nicht besser Bericht erstatten.