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Vereinsname auf der Brust
Betreffs Spielkleidung hat der Vereinsname im Rahmen der Arbeitsteilung zwischen den Kennzeichen eines Fußballvereins weitgehend Sendepause. Allenfalls meldet er sich über- oder unterhalb der Rückennummer kurz zu Wort. Es ginge auch anders, wie der gründliche Blick in die Geschichtsbücher aufzeigt.
Als erster Klub trug 1894 der Rugby-Verein DFV Hannover + seinen Namen großflächig auf der Vorderseite zur Schau. Unter den Fußballern war es wohl 1899 Werder Bremen, wenn auch in jenem unleserlichen Schriftzug, der gleichzeitig das Wappen darstellte. Mehrere Wortnamenklubs stickten sich ihren entsprechenden Anfangsbuchstaben klein an die Herzstelle (z.B. Regatta Prag +, Hertha Berlin, Britannia 92
Wie Phönix aus der Asche tauchte Beides wieder auf, 1956 der Anfangsbuchstabe auf der Herzstelle bei Rapid Wien, 1960 der Brust-Schriftzug bei Victoria Hamburg. Doch es blieb beim kurzen Flackern. Ab Anfang der 60er Jahre richteten sich vielmehr die Wappen auf der Herzstelle ein. Manche Klubs entschieden sich früher oder später jedoch für den Vereinsnamen, z.B. Hannover 96, Grazer AK, Göttingen 05 (s. Bild), Bremerhaven 93 + (s. Bild), Hertha BSC, Kickers Offenbach,
Ansonsten hatte sich der Westen längst in die Einbahnstraße der gezielten Dreßverhunzung per Brustsponsor begeben. Ende der 70er Jahre eröffnete sich dann endlich der Sinn von Deutschlands Teilung: Den Vereinsnamen-Schriftzügen glückte die Flucht in die DDR, wo sie noch ein Jahrzehnt lang geeigneten Lebensraum vorfinden sollten. Eigentlich hätte es für die DDR ein Heimspiel sein müssen, trug doch die sowjetische Nationalmannschaft traditionell das „CCCP“ vor sich her, wie auch die eigene Landesauswahl seit den 50ern (!) groß „DDR“ auf ihren Trainingsanzügen stehen hatte (der Reißverschluß hörte oberhalb des mittigen D auf), und die drei Buchstaben seit Anfang der 70er auf den Dressen über dem Staatswappen als Blickfang dienten. Die 80er hindurch waren nun alle bekannten und auch viele tiefer spielende Klubs mit Vereinsnamen-Schriftzug zu sehen, jedoch nicht immer, so daß sich in der Eliteklasse stets etwa die Hälfte der Mannschaften dementsprechend kleidete. Gestalterisch wurden die kümmerlichen vorherigen Testreihen aus der BRD sofort übertrumpft. Jetzt stimmte man den Textbereich auf das Gesamtdesign ab und wertete ihn mit ausgesuchten Schriftarten weiter auf. Besser hätte das Zeitfenster gar nicht genutzt werden können. Danke dafür, DDR! In der Geschichte der Fußballtracht hast Du den glasklaren Höhepunkt geschaffen, Deine traumhaften Dressen erscheinen jedem Betrachter wie vom anderen Stern! Auf der nachfolgenden Tafel erfreuen wir uns an: Lok Leipzig, 2 x Stahl Riesa, 2 x Chemie Halle (+), Wismut Aue +, Motor Steinach +, Union Mühlhausen, 2 x Carl Zeiss Jena, Fortschritt Bischofswerda +, Energie Cottbus, 2 x Rotation
Da bedarf es erst dieser Tafel, um die grundlegende Erkenntnis ans Licht zu bringen, daß die ideale Spielkleidung aus Vereinsfarben und Vereinsname zusammenfließt, wohingegen das Wappen bei der Gestaltung sogar stört. Selbst wenn dieses mal halbwegs eingebunden werden kann, macht es als undeutlicher Klecks neben den strahlend frischen Buchstaben keinen guten Eindruck. Und spinnen wir den Gedanken fort, dann verhält sich das heutzutage gegenüber der Sponsoren-Aufschrift genauso. Da andererseits bekanntlich auch eine größere Darstellung jeglicher Bildeinheit auf Kleidungsstücken als modische Entgleisung gilt, wäre hiermit bewiesen, daß das Dreß gar kein natürliches Anwendungsgebiet von Wappen ist.
Nebenher zur ostdeutschen Spielkleidungs-Hochkultur waren auf den Dressen der Werksklubs VÖEST Linz + und Bayer Leverkusen außer den Werksnamen, die gleichzeitig als Vereinsname und Sponsor wirkten, Erweiterungen um „SK“ bzw. „04“ zu lesen. Austria Wien, Rapid Wien und Sturm Graz schrieben ihre Wortnamen noch zur Werbung mit dazu (wobei in Österreich der Sponsor ja sowieso oft Bestandteil des offiziellen Vereinsnamens ist). Mitte der 80er zeigte sich der Freiburger FC werbefrei mit Vereinsname, 1988-90 tatsächlich auch wieder Hertha BSC. An den letzten Spieltagen 94/95 war erneut der Hamburger SV dran, weil dessen Hauptsponsor mit den schwachen Leistungen der Mannschaft nicht mehr in Verbindung gebracht werden wollte. Bei Wacker Innsbruck erstreckte sich 2011-13 durch eine außergewöhnliche Anordnung von Werbung und Wappen mehr zufällig der Vereinsname quer über die Brust, und Rot-Weiss Essen präsentierte ab 2013 drei Jahre lang stolz den bloßen Ortsnamen. Wie schon seit vielen Jahren beim FC Memmingen, prangte 2016 für ein Spiel bei Hannover 96 statt des Wappens der Vereinsname auf der Herzstelle. Oh, welch aufregender Unterschied selbst bei diesem Klub, der seinen Namen ja nicht größer im Wappen stehen haben könnte. Damit ist die Geschichte erzählt. Zufriedengeben können wir uns mit ihr wohl kaum.